Nach wie vor spannend lesen sich die amerikanischen Reisetagebücher von Alexander von Humboldt. In dem Sammelband „Buch der Begegnungen“ kann man wichtige Passagen, Ausschnitte aus den 4500 Seiten des Tagebuches, nachlesen. Humboldt beschreibt Pflanzen, Tiere, das Meer und seine zahlreichen Bekanntschaften.
Ein Ergebnis seiner Wissenschaft der Bewegung ist seine berühmte Einsicht: „Alles ist Wechselwirkung.“ Die Lage des Menschen ist von seiner komplexen Einbettung in Natur, Geschichte, Kultur, Religion, Geografie und Ökonomie niemals zu trennen. Echtes Urteilen setzt für Humboldt immer die direkte Begegnung voraus. Er erkennt die Grundvoraussetzung der Vorurteile gegenüber Anderen: die Nicht-Begegnung, die Ferndiagnose. Prinzipien die auch heute noch gelten. In seinen Tagebüchern erinnert er zudem daran, dass sich die Komplexität der Welt nicht aus der Perspektive einer Sprache darstellen lässt.
Auf seinen Reisen beobachtet Humboldt seine eigene Verwandlung, die auch politisch wirkt und zur Ablehnung jedes Rassismus führt. Seine frühe Kritik an der europäischen Kolonialpolitik ist bekannt: „Je größer die Kolonien sind, je konsequenter die europäischen Regierungen in ihrer politischen Bösartigkeit vorgehen, desto mehr muss die Unmoral der Kolonien zunehmen.
“Bleiben ist nirgends – seine Reisen führen ihn immer wieder an die Schwelle des Todes. Weil er den Schiffbruch fürchtet, schreibt er mit einer speziellen Tinte. Nur knapp entgeht er, während er fasziniert den Flug der Vögel beobachtet, dem eigenen Untergang. Sein Leben ist nicht nur von der Erfahrung der Wunder der Schöpfung geprägt, sondern auch von zahlreichen Begegnungen. „Die letzte Miene eines Menschen ist so wichtig für den Eindruck, den er zurücklässt. Wessen Leben, wie das meinige, ein ewiges Anknüpfen und Trennen ist, fühlt das so tief.“
Alexander von Humboldt, Das Buch der Begegnungen, Manesse Verlag