Auf unserem Heimweg nach Deutschland entscheiden wir uns für einen spontanen Abstecher nach Corsier-sur-Vevey. Seit 2016 ist die denkmalgeschützte Villa Manoir de Ban, Wohnsitz von Charlie Chaplin in den Jahren 1953-1977, für die Öffentlichkeit zugänglich. Wer den schwindelerregenden Eintrittspreis akzeptiert hat, wandert zunächst durch den Park mit seinen alten Bäumen zum Haupthaus. Dort staunen wir über die stilvolle Einrichtung der Wohnräume, sehen uns Filmausschnitte und Photos aus dem Alltag und Familienleben des Genies an.
Schnell wird uns klar, dass der Komiker über eine sehr ernste Seite verfügt. Obwohl er sich selbst als unpolitisch definierte, sind seine Haltungen über die Weltpolitik eindeutig formuliert und – wie das folgende Zitat belegt – nach wie vor brisant:
„Wer die Öffentlichkeit darauf vorbereitet, einen Atomkrieg mit all seinen Schrecken zu akzeptieren, begeht ein Verbrechen gegen die Menschlichkeit und bringt die Welt aus dem Gleichgewicht. Befreien wir uns aus diesem schädlichen Klima. Versuchen wir einander zu verstehen. Denn in einem modernen Krieg gibt es keine Sieger.“
Chaplin beschreibt seinen Werdegang und sein turbulentes Leben in seiner Biographie „Die Geschichte meines Lebens“. Seine Jugend ist von Armut und sozialen Missständen geprägt. Er erlebt eine Zeitenwende, nach dem Wahn der Ideologien, dem Krieg, folgt die Welt des technologischen Fortschritts.
Obwohl in den 30er Jahren der Tonfilm bereits etabliert war, veröffentlichte der Künstler 1936 mit „Moderne Zeiten“ einen weiteren Stummfilm. Die Produktion war für ihn unter diesen Bedingungen finanziell riskant. Der Einsatz lohnte sich, der Film war ein Erfolg, ist heute Teil einer Legende und beschreibt die Doppeldeutigkeit moderner Technologien und Produktionsweisen. Schon 1923 hatte Chaplin die Ford Werke in Detroit besucht und die moderne Fließbandarbeit beobachtet.
In den modernen Ausstellungsräumen am Rande des Geländes kann man auf einer begehbaren Bühne in die wichtigste Szene aus diesem Film eintauchen: Der Künstler wird von dem Räderwerk einer gigantischen Maschine verschlungen. Die Frage die Chaplin aufwarf bleibt aktuell: beherrscht der Mensch die Maschinen oder die Maschinen den Menschen?
Ironischerweise wurde der Pantomime selbst von der technischen Entwicklung der Medien überholt. Seine Filme blieben unvergessen und seine Botschaften wirken bis heute nach.
Da Chaplin in Moderne Zeiten die Auswüchse der Industrialisierung und des Kapitalismus kritisiert, warfen ihm konservative Kreise in den USA eine antikapitalistische und kommunistische Einstellung vor. Das amerikanische Visum des Engländers wurde in den 50er Jahren nicht verlängert und die Schweiz seine Wahlheimat.
Der Weltstar kam in seiner Villa am Genfer See zur Ruhe. Seine Biographie schließt mit der atmosphärischen Bemerkung:
„Von solchem Glück erfüllt, sitze ich in manchmal bei Sonnenuntergang draussen auf unserer Terrasse und blicke über den weiten, grünen Rasen zum fernen See hinunter und darüber hinaus auf die Zuversicht einflößenden Berge, und in dieser Stimmung denke ich an nichts und freue mich ihrer grossartigen Gelassenheit.“