„Die Kunst, falsch zu reisen“

Kurt Tucholsky (1890-1935) war ein deutscher Journalist und zählt zu den bedeutendsten Publizisten der Weimarer Republik. Als Reisender gab er seine politischen Überzeugungen niemals auf. Er lebte zunächst einige Jahre in Frankreich und starb in seiner Wahlheimat Schweden.

Mit seinem 1927 erschienenen, essayistischen Pyrenäenbuch und zahlreichen anderen Texten, zum Beispiel über die französische Hauptstadt Paris, bemühte er sich zeitlebens um das deutsch-französische Verhältnis. Völkische Kreise bezeichneten ihn deswegen als „Franzosenliebling“ und „Undeutschen“. „Paris hat Herz“ kommentierte er darauf. „Das geradezu lächerliche Zerrbild, das der Völkische sich und andern von Franzosen an die Wand malt, ist nicht einmal eine Karikatur – es ist blanker Unsinn.“

1929 befasste er sich in seinem Text „die Kunst, falsch zu reisen“ mit ironischem Unterton über die neue Reiselust der Deutschen. Die populär werdenden Reisebücher nimmt er auf die Schippe. „Sieh dir nur die Sehenswürdigkeiten an, die im Baedeker stehen. Treibe die deinen erbarmungslos an alles heran, was im Reisehandbuch einen Stern hat – lauf blind an allem andern vorüber…“.

Diese neue Art des Reisens, unter Zeitdruck, mit Programm und höchsten Erwartungen qualifiziert Tucholsky als eine Art Arbeit. Spöttisch empfiehlt er, unentwegt Ansichtskarten zu schreiben und diese unleserlich zu verfassen, da dies auf gute Laune schließen lasse. Die Hauptregel jeder gesunden Reise ist somit für den Satiriker: „Schimpfe! Ärgere Dich! Mach Betrieb!“.

Natürlich hat Tucholsky auch einen Gegenentwurf zu bieten: „die Kunst, richtig zu reisen.“ Erste Empfehlung ist hier: Entwirf, deinen Reiseplan im großen – und lass dich im einzelnen von der bunten Stunde treiben.“ Die größte Sehenswürdigkeit ist für den Schriftsteller die Welt selbst. Darüber hinaus mahnt er auf Reisen ein bescheidenes Auftreten an: „Niemand hat heute ein so vollkommenes Weltbild, daß er alles verstehen und würdigen kann: hab den Mut zu sagen, daß du von einer Sache nichts verstehst.“

Die Kunst des Reisens führt aus dieser Sicht zu einer anderen Maxime: „Entspanne dich. Laß das Steuer los. Trudele durch die Welt. Sie ist so schön: gib dich ihr hin, und sie wird sich dir geben!“.

Kurt Tucholsky, Die Kunst falsch zu reisen, idb Verlag