In Gottes Namen und bei den Sternen am Himmel, wozu? (Sal Paradise)
Der Roman „Unterwegs“ von Jack Kerouac, veröffentlicht im Jahr 1958, ist ein Klassiker der Reiseliteratur und prägte eine ganze Generation. Allerdings beschreibt der Schriftsteller hier keine Sehenswürdigkeiten, sondern existentielle Erfahrungen, die sich aus der rastlosen Bewegung auf amerikanischen Landstraßen ergeben. Das Buch ist noch immer aktuell, wie die Verfilmung in einem Roadmovie („On the road“) aus dem Jahr 2012 zeigt.
Der Inhalt des Romans wurde gerne mit der Phrase „Sex, Drugs ’n’ Jazz“ charakterisiert. Aber es geht um mehr. Die beiden Hauptfiguren, Dean Moriarty und der Erzähler Sal Paradise, begeben sich auf verschiedene Reisen durch die USA und Mexiko. Auf den rasanten Fahrten in Höchstgeschwindigkeit erleben die Reisenden surreale Situationen, Momente der Erkenntnis und abgründige Grenzerfahrungen. Die beiden trampen, springen auf Güterzüge auf, fahren mit Greyhound-Bussen, auf LKW-Pritschen oder mit gestohlenen Autos quer über den nordamerikanischen Kontinent und zurück. Die Geschichte führt den Leser nach New York City, Chicago, Denver, Kalifornien, New Orleans und endet in Mexiko. Dabei kümmern sich die Helden des Romans um keine Konventionen, beobachten skeptisch die Normen der Gesellschaft und sind auf ihre Art Ausgestoßene und Heimatlose.
Kerouac war zeitlebens der Überzeugung, dass die amerikanische Zivilisation die schöpferischen Kräfte des Menschen verkümmern lässt. In Mexiko erfahren Dean und Seal dann den anderen Entwurf, eine ursprüngliche und naturverbundene Lebensweise. Aber egal wo sie ankommen, es gibt kein zuhause. Denn, wie es Rainer Maria Rilke formulierte: „Bleiben ist nirgends“.
Für Sal Paradise ist „das Leben heilig und jeder Moment kostbar“. Er folgt nur weiter seinem Stern. Dabei ist er fasziniert von dem ruhelosen und verantwortungslosen Charakter seines „Freundes“: „Und die ganze Zeit war Dean unheimlich begeistert über alles, was er sah, bei allem was er sagte, über jede Kleinigkeit, jede Minute, die verstrich. Er war außer sich vor rechtem Glauben.“
Dean, ein halsbrecherischer Fahrer, wird auf abenteuerliche Weise von seiner Existenz getragen. Dieses Urvertrauen vermittelt er Sal: „Und während wir hier so dahinrollen, bin ich ohne jeden Zweifel davon überzeugt, dass in allem für uns gesorgt wird, dass alles glattgehen wird, dass selbst Du, bei deiner Fahrweise, deiner Angst vor dem Steuer wie von selbst auf der Spur bleiben wirst und wir nicht im Graben landen werden.“
So lassen beide Chaos und Wahnsinn hinter sich, um die einzige noble Aufgabe in der Zeit zu erfüllen – in Bewegung zu bleiben. Dabei verklärt sich Dean aus Sicht seines Mitreisenden zu einem „heiligen Schwindler“, jenseits von gut und böse. Sal: „Plötzlich erkannte ich, dass Dean, einfach aufgrund der riesigen Anzahl seiner Sünden, im Begriff war, der Idiot, der Narr, der Heilige der Gruppe zu werden“.
Kerouac gelingt nicht nur eine Abrechnung mit den Widersprüchen der amerikanischen Zivilisationen, sondern viele zeitlose Passagen über den Zauber des Moments, wunderbare Einsichten in das Leben und die Schönheit der Natur. Wer sich für die Gleichnisse der Existenz und die Magie des Unterwegsseins interessiert, findet hier eine nach wie vor eine spannende und verstörende Lektüre.
Jack Kerouac, Unterwegs, Rowohlt Taschenbuchverlag