Zu den schönsten Ausflügen auf der Insel Rügen gehört ein Besuch der Pfarrei des Dichterpfarrers Gotthard Ludwig Kosegarten (1758-1818) in Altenkirchen. Anschließend bietet sich eine kleine Wanderung vom Kap Arkona (mit großem Wohnmobilhafen) in das Fischernest Vitt an, dem Schauplatz der berühmten Uferpredigten des Dichters.
Bei dem Besuch des romantischen Kirchgartens, mit der Grabstätte des Schriftstellers, fällt man aus der Zeit. Die alte Kirche, mit dem Bau wurde im 12. Jahrhundert begonnen, mit ihren romanischen und gotischen Baustufen, ist sehenswert. In der östlichen Vorhallenwand hat man sogar einen slawischen Grabstein eingemauert.
Seit 2014 befindet sich neben der alten Kirche, in einem umgebauten Feuerwehrhaus, eine Ausstellung über das Lebenswerk des berühmten Mannes. Kosegarten war nicht nur Hauslehrer, Theologe und Pfarrer, sondern auch ein ungewöhnlicher Denker seiner Zeit. 1785 erhielt er das Diplom eines Doktors der Philosophie und seine Dissertation über „die wesentliche Schönheit“ verherrlichte das Göttliche in der Natur. Ausführliche Studien und Übersetzungsarbeiten folgten. Kosegarten übersetzte die moralischen Schriften des Adam Smith und studiert u.a. intensiv Platon, Rousseau und Kant. Zu seinen zahlreichen Werken gehört ein Briefwechsel mit Goethe, dessen geistige Eigendefinition, er sei in Fragen der Natur ein Pantheist, im Sittlichen ein Monotheist und in der Kunst ein Polytheist, ebenso gut zu dem umtriebigen Pfarrer passt.
Es empfiehlt sich, das kleine Werk „Briefe eines Schiffbrüchigen“ zu erwerben und ein paar Seiten direkt in Vitt zu lesen. In den Erzählungen eines in Seenot geratenen Mannes finden sich wunderbare Beschreibungen über das in einer Schlucht gelegenen Fischernest. Die Bewohner der kleinen Hütten verkörpern für Kosegarten die menschlichen Tugenden, die er schätzt: Liebe, Ehrfurcht und Naturnähe. Der Dichter rückt die Existenz des Menschen dabei in einen größeren Zeitrahmen. „Die Schöpfung wird wieder in Chaos zerfallen, und du, mein armes Ich, solltest den Schiffbruch überdauern?“, fragt der Schiffbrüchige melancholisch.
Weitere Landschaftsbeschreibungen und Schilderungen über das Kap, die Gegend um Jasmund und die Insel Hiddensee sind noch immer lesenswert. Kosegarten: „Nie werde ich die interessante Mannigfaltigkeit dieser malerischen Landschaften vergessen, deren stiller Reiz bisweilen auch zum Edlen und Erhabenen emporstieg. Nicht selten veredelten die Höhen sich zu schrofferen Abstürzen.“ Die Umgebung beschreibt er so in Relation zu der existentiellen Lage des Mensch-Seins.
Für den heutigen Reisenden liest sich die ausführliche Nacherzählung einer Uferpredigt über das Thema Vögel spannend. Kosegarten preist mit dieser Metapher der fliegenden Kreaturen die Wunder der Schöpfung und er legt das – offensichtlich zeitlose – Hemmnis für jedes tiefere Gefühl der Freiheit, der Gelassenheit und die Erfahrung der Einheit mit der Natur offen: die Versorgungsangst.
„Ängstigen Euch die Sorgen der Nahrung, quält der Gedanke euch an eine aussichtslose Zukunft; sehet an die Vögel unter dem Himmel! Sie säen nicht, sie ernten nicht, sie sammeln nicht in ihren Scheuren. Und unser himmlischer Vater nährt sie doch.“
Auch wer die christliche Dimension dieses Denkens nicht teilt, die Notwendigkeit eines Urvertrauens, um in Freiheit seine Lebensreise zu gestalten, dürfte in der Moderne – gerade für uns Reisende – nachvollziehbar sein.