Fazit: Stralsund – Andalusien und zurück

Reisenotizen: Stralsund – Andalusien und zurück

Der Hausschuh

Unsere erste größere Expedition mit dem eigenen Wohnmobil war ein willkommener Anlass, persönliche Erwartungen mit der Wirklichkeit des Reisens abzugleichen. Bedenken hatten wir schon: gibt es an der Strecke genug freie Stellplätze? Finden wir immer einen Parkplatz und sind damit unsere spontanen Exkursionen in Kleinstädte oder zu Sehenswürdigkeiten an der Route möglich? Die Antwort fällt in beiden Fällen eindeutig aus: Ja! Das von uns bevorzugte Hinterland in Frankreich und Spanien war nur mäßig besucht, Stellplätze kein Problem und ein Plätzchen für das Wohnmobil fand sich immer wieder. Ab und zu nutzten wir öffentliche Verkehrsmittel, um besondere Orte ohne Stress zu besuchen. Ansonsten genossen wir, nie über Übernachtungsmöglichkeiten oder Wetterverhältnisse, wie zuvor beim Zelten – nachzudenken. Unser Ford-Transit und der Aufbau hielten ohne Probleme durch. Wir bezahlen auch Lehrgeld, im Badezimmer fliegt uns das praktische Schränkchen um die Ohren, dass wir nicht fest verschlossen hatten.

Die Route

Natürlich war die Strecke zu lang. Beinahe 7000 km in knapp fünf Wochen ist eine Hausnummer. Geplant war das nicht, hatten wir doch bei unseren kleineren Ausflügen in der Ostseeregion oft schon nach maximal 100 km genug und steuerten Plätze zum Entspannen an. Da wir aber Arbeiten und Reisen verknüpfen und einen Termin in Andalusien hatten, kam es eben so. Trotz der Herausforderung auf der Straße gab es kein Grund zur Klage. Nur an einigen Fahrtagen fuhren wir mehr als 400 km und immer wieder pausierten wir in Straßencafés, unter Bäumen oder an einem See. Zudem hält der Aufbau die Fahrerkabine kühl, mit geöffneten Fenstern lassen sich auch Temperaturen um die 38C, wie in Andalusien, gut aushalten. Unsere Strecke war abwechslungsreich. Sie führte zunächst über Süddeutschland, Südfrankreich, an der spanischen Mittelmeerküste entlang bis Alicante. Wir besuchten Granada, Córdoba und Toledo, fuhren ins Baskenland, nach Biarritz, in das Tal der Lot und die Tarn-Schlucht. Dann ging es über Besançon, den Schwarzwald und Hamburg zurück bis Stralsund.

Die Plätze

Campingplätze, Stellplätze, Parkplätze – ein Kapitel für sich. Immer wieder spannend zu erleben, wo man die Nacht verbringt. Wir benutzen keine Apps, sondern lassen uns lieber überraschen. Auf dem Rückweg stehen wir beispielsweise auf einem öffentlichen Parkplatz, direkt an der Fulda in Guxhagen. An solchen Orten könnte man Tage bleiben. Sonst nutzen wir das ganze Programm: Wir standen unter alten Bäumen auf dem wunderschönen Stadtplatz in Granada, lernen dort viele Leute kennen und staunen über die Freundlichkeit der spanischen Reisenden. Wir verbringen zwei Tage auf einem Berg bei Córdoba, da der Campingplatz in der Stadt wegen der Corona-Krise geschlossen ist. In Toledo freuen wir uns über den größten Pool, den wir je an einem solchen Ort entdeckt haben. In Frankreich nutzen wir das Angebot bei Bauern auf einer Wiese zu stehen oder enden auf einem ungewöhnlichen Platz mit Dauercampern bei St. Etienne.

Die Höhepunkte

Wie immer auf Reisen: es kommt, wie es kommt. Meist anders wie geplant. In Granada vergassen wir einfach die Alhambra zu besuchen, weil die Lektüre der Beschreibung von Cees Nooteboom (Der Blinde und die Schrift) so fesselnd ist, dass wir uns gar nicht mehr auf den Weg bemühten. Der Schriftsteller erfährt bei der Betrachtung der Arabesken in der Alhambra, dass alles fließt, in Bewegung ist, nicht nur der Kosmos, nicht nur wir, sondern auch die Buchstaben der Schrift. Die Städte Córdoba und Toledo, Rilkes Sehnsuchtsort, beeindrucken schwer. Unser Notizbuch füllt sich schnell, da wir über einen zweiten Teil der „Camper“ nachdenken. Sonst begeistern uns viele namenlose Kleinstädte in Spanien und Frankreich, die immer eine Überraschung, sei es Kunst oder Kulinarisches, bergen. Nach der Lektüre des Klassikers von Julio Cartazar über seinen Besuch von Autobahnparkplätzen, sehen wir diese in einem anderen Licht. Gefallen hat uns das Dorf Lapopie im Lot Tal, wo wir den Alterssitz von Andre Breton besuchten, dem Gedanken der Surrealisten nachsinnend, dass das Wunder überall zu finden ist. Recht haben sie.

Die Pandemie

Wir sind in dieser Hinsicht gespalten, der Eine geimpft, die Andere abwartend. Ein Problem war das nicht. Weder in Spanien oder in Frankreich wurde der Impfstatus überprüft. Melancholisch wirkte auf uns das Bild eines alten Mannes nach, der in einem französischen Kaff die Kirche verlies und mit schwerem Schritt, tapfer seine Maske tragend, über den Marktplatz in die gegenüberliegende Apotheke eintrat. Bilder. Kurios wirken spanische Autofahrer, die alleine in ihren Fahrzeugen mit Mundschutz durch die Gegend fuhren. Oder eine Mautstelle, die man mit Maske zu durchfahren hat, obwohl sich dort nur Automaten befinden. Verstehe wer kann. In Spanien ist die Verunsicherung der Bevölkerung, nach den hohen Opferzahlen, überall spürbar. Uns gefällt bei einer Hochzeit in Toledo, die wir beobachteten, die ausgelassene Atmosphäre, die wir zuvor in den spanischen Städten vermisst hatten.

Die Camper

Was für eine bunte Gesellschaft: die Reisemobilisten. Wir sind fasziniert von der Spannbreite dieser Lebensform. Wir unterhielten uns mit Managern, die mit ihren Hightech Mobilen unterwegs sind. Wir bestaunten die handwerklichen Fähigkeiten von jungen Leuten, die ihre alten Kastenwägen in Schmuckstücke verwandelt hatten. Wir begegneten am Pont du Gard einem holländischen Paar, die vor unseren Augen lässig ihren Smart in der Garage ihres Luxusmobils parkten. Der Mann verfügte über einen Fundus von Campingplätzen in Europa mit erlesener Küche, ein Schatz, den er bereitwillig mit uns teilte. Gegensätze: in der Nähe von St. Etienne begegnen wir Dauercampern, hart arbeitende Franzosen, die sich lange Reisen nicht leisten können. Ihr Kleinod entspricht keiner Bauordnung, beherbergt ein Sammelsurium von alten Wohnwägen, Baracken und sonstigen Konstruktionen. In Lauzerte sprach uns ein Keramikkünstler auf die Flut in Deutschland an und erinnert uns an die Macht der Hitze und an andere Sorgen, denen sich der Urlauber nicht entziehen kann. So begegnen wir vielen hilfsbereiten, freundlichen Campern auf dem Weg. Ein Fazit: Unterwegs mit dem Wohnmobil fällt es leicht, andere Reisende kennenzulernen, vielleicht auch, weil wir selbst offener geworden sind.

Die Heimkehr

Jede Reise geht einmal zu Ende. Wir wären gerne länger unterwegs gewesen. Wir haben unsere Schatztruhe mit Erlebnissen, Begegnungen und den Eindrücken von erstaunlichen Orten gefüllt. Die erste Nacht zu Hause ist schön, aber – hat man je so selig geschlafen wie im Wohnmobil? Beim Frühstück sind wir uns einig, diese Reise ist gelungen. Das Nomadenleben werden wir vermissen. Ein Trost, in Hamburg haben wir uns im Reisebuchladen mit diversen Werken versorgt: Das imaginäre Reisen lädt ein. Italien, Griechenland oder ein Ausflug an die nahe Küste, wann fahren wir endlich wieder los?