Es gibt viele Gründe nach Ahrenshoop, zwischen Darß und Fischland gelegen, zu fahren. Die einmalige Atmosphäre am Strand, die Lichtverhältnisse und das schmucke Fischerdorf selbst, mit seiner ungewöhnlichen Geschichte, garantieren ein unvergessliches Erlebnis.
Wir parken unser Wohnmobil gerne am Strandaufgang 3 und wandern dann an der Küste entlang bis zu den Klippen. Von dort bietet sich der Gang zum Kunstmuseum an. Seit 1892 siedelten sich in dem Dorf KünstlerInnen an, die den legendären Ruf der Kolonie begründen. Ahrenshoop wird Teil eines europäischen Netzwerkes der Kunst. Die Ausstellung verschafft einen Überblick über wichtige Maler dieser Zeit. In weiteren Räumen begegnet man dann zeitgenössischen Künstlern und ihren Werken.
Unbedingt sollte man in dem Museum das Ölgemälde „der alte Schifferfriedhof in den Dünen“ (1893) von dem Landschaftsmaler und Mitgründer der Kolonie, Paul Müller-Kaempff, sehen. Der Maler erklärte in seinem Tagebuch den Eindruck des Ortes, der für ihn eine Erfahrung des Friedens und der Einsamkeit verkörpert. Diesseits und Jenseits: Die Friedhofsszene erinnert an die Sturmflut im November 1872, die die ungeschützte Gemeinde verheerend traf. Ein Trauma. Einige Tage nach dem Schrecken findet das erste Begräbnis auf dem Schifferfriedhof statt.
Die Gewalt von Wasser und Wind, die vorbeiziehenden Wolken, Himmel und Meer, die idyllischen Fischerhäuser, sind immer wieder die bevorzugten Motive der Künstler. Wer das Wechselspiel der inneren Erfahrung und des äußeren Ausdruckes der MalerInnen tiefer studieren will, begegnet auf dem „Kunstpfad Ahrenshoop“ an ausgesuchten Plätzen ihren Motiven. Wie unterschiedlich man diese Landschaft, die Menschen und ihre Häuser sehen kann, ist eine faszinierende, ja zeitlose Erfahrung.
Das Idyll der eigentlichen „Künstlerkolonie“ währte nur kurze Zeit, bevor die Wucht der Geschichte das Dorf ergriff. Die Nationalsozialisten änderten 1933 die Straßennamen: Die alte Dorfstraße wird zur Adolf-Hitler-Straße. Der Antisemitismus verdrängte die ewigen Ideale der Kunst. Im Oktober trat die „Ortssatzung über die Fernhaltung der Juden aus dem Ostseebad“ in Kraft.
Nach 1945 versuchte die sowjetische Militäradministration, ein „Bad der Intelligenz“, zu schaffen. In den folgenden Sommern etabliert sich ein Kulturbund, der eine Begegnung mit Kulturschaffenden und Funktionären ermöglicht und zudem den BesucherInnen die Möglichkeit gibt, sich in der Nachkriegszeit „satt zu essen“. Bertolt Brecht besuchte 1950 Ahrenshoop. Der Legende nach hat der Schriftsteller aber nur einige Minuten am Meer verbracht und sich sonst zurückgezogen seinem Schreiben gewidmet.
Heute ist Ahrenshoop ein Magnet für Touristen und Reisende aus aller Welt. Wer an der Dorfstraße, in einem der Cafés sitzt, sieht in der Saison die Kolonne der Fahrzeuge vorbeiziehen, die sich langsam durch den Ort schlängeln. Nur selten wird man einen Maler mit seinen Pinseln entdecken, eher fallen die Zeitgenossen auf, die mit ihren Handys die zahlreichen Motive einzufangen versuchen. Erst im Winter ist man dann wieder alleine.
Der Kontext des Reisens, der Arbeit und der Kunst erlebt man in dem Ostseebad nach wie vor. Nicht zuletzt den Galerien und einigen schönen Läden im Ort gelingt es, mit ihrem Angebot, immer wieder eine Brücke zwischen dem Vergangenem und Gegenwärtigen zu schlagen.
Leseempfehlungen:
Intelligenzbad Ahrenshoop, Zeitschrift für Ideengeschichte 2018, Heft XII/2
Kristine von Soden, Ahrenshoop höchstpersönlich, Transit Verlag 2020
Kunstpfad Ahrenshoop, Flyer der Kurverwaltung