Das kleine Paradies

Die Literatur hat in Frankreich einen überragenden Stellenwert. Autoren wie Balzac, Flaubert, Hugo oder Zola schrieben mit ihren Büchern den „Grand Roman“, der unser Frankreichbild bis heute prägt.

Versteckt in den Hügeln von Party-Marly, umkreist von einigen Schnellstraßen, besuchen wir das kleine Paradies des Schriftstellers Alexandre Dumas (1802-1870): das Chateau de Monte Cristo. Fasziniert lernen wir die Geschichte dieses Anwesens kennen.

Die Romane „Die drei Musketiere“ und „Der Graf von Monte Cristo“ bescherten dem Genie nicht nur Weltruhm, sondern ebenso ein beachtliches Vermögen. Neben einer eigenen Zeitung und einem Theater erstand er 1844 ein insgesamt neun Hektar großes Waldgrundstück. Sein Schloss im Stil der Neurenaissance errichtete er als Wohnhaus. Südwestlich des Hauptgebäudes bot das sogenannte Château dʼIf, ein neogotischer Bau auf einer Insel in einem kleinen Teich, einen Arbeitsraum. Am 25. Juli 1847 fand die feierliche Einweihung im Beisein von 600 Gästen statt. Im Park der Anlage staunten die Besucher über 14 Hunde, einen Goldfasan und die 1250 Forellen in den Teichen.

Wir bewundern im Chateau die Ausstattung im maurischen Salon und Zimmer. Die beiden Räume ließ Dumas einrichten, nachdem er von einer Nordafrika-Reise zurückgekehrt war. Der Erziehungsminister beauftragte ihn, 1846, Algerien zu besuchen und Reisememoiren zu schreiben, die französische Siedler in die neuen, 1830 eroberten Départements locken sollten. Die Stuckwände und -decken mit eingeritzten Arabesken wurden von Künstlern gestaltet, die für den Bei von Tunis arbeiteten. 1985 rettete der marokkanische König Hassan II das einmalige Arrangement vor dem Zerfall und finanzierte die Renovierung.

Dumas schrieb zahlreiche Reisebücher. 1832 besuchte er Norditalien und die Schweiz. 1858 verbrachte er Monate im Kaukasus und Russland. Er reiste, um nicht aufzufallen, in der jeweiligen Landes-Kleidung, beobachte den Alltag und die Gewohnheiten der Menschen. Besonders interessierte er sich für die fremden Küchen und die kulinarischen Gebräuche.

Nils Minkmar beschreibt in seinem Buch „Das geheime Frankreich“ diese Seite der Franzosen: „Das Essen spielt in Frankreich die Rolle einer Religion – samt allen möglichen Orden, Sekten und Fanatikern“. Vermutlich hätte Dumas der folgenden Feststellung zugestimmt: „Über Religion, Politik und vieles andere wird man sich in Frankreich nie einig sein, die Küche aber verbindet den Menschen mit der Welt und die Franzosen untereinander.“ Dumas, ein leidenschaftlicher Koch, veröffentlichte, neben seinem riesigen literarischen Werk, ein großes Kochbuch. Er war überzeugt, dass dieses kulinarische Lexikon sein Hauptwerk sei, für „die Ewigkeit“ geschrieben.

Den Deutschen war der Meister wohl gesonnen. Über einem größeren Fenster des Hauses hängen Porträtmedaillons von Schriftstellern und Dichtern, die Dumas verehrte; darunter Shakespeare, Homer, Dante und Goethe. 1838 unternahm er eine mehrmonatige Rheinreise. Seine Idee der friedlichen Nachbarschaft untermauern Sätze wie: „Wäre ich nicht Franzose, möchte ich Deutscher sein“ oder „Frankreich und Deutschland sind das eigentliche Europa“. Dumas stirbt vor dem Krieg von 1870/71 und erlebte die folgenden Katastrophen nicht mehr.

Sein kleines Paradies währte nicht lange. Der Reichtum war schnell horrenden Schulden gewichen. Am 22. März 1849 war er gezwungen seinen Traum, das Schloss Monte Christo mit großem Verlust zu verkaufen. Das Gesamtkunstwerk, das er hinterließ, beeindruckt bis heute.

Literatur:

Nils Minkmar, das geheime Frankreich, Geschichten aus einem freien Land, Fischer Verlag, 2017
Frédérique Lurol, Monte Cristo, un château de roman, 2010