In Zeiten knapp werdender Ressourcen beschäftigt uns die Frage, ob die Mobilität, die wir so sehr schätzen, künftig Einschränkungen unterliegen wird. Vor dem Haus steht das Wohnmobil abfahrbereit – wie weit man in den nächsten Monaten kommt, wird man sehen. Gleichzeitig tröstet uns der Gedanke, dass es bei unseren Abenteuern nicht um die Entfernung an sich oder gar die Geschwindigkeit geht. Überall auf der Strecke bietet sich die Bewegungsart mit dem geringsten fossilen Energieverbrauch an: das Wandern. „Nur wo du zu Fuß warst bist du auch wirklich gewesen“ lehrte schon Goethe.
Die „Kunst des stilvollen Wanderns“ des schottischen Schriftstellers Stephen Graham ist nicht nur ein Wanderratgeber aus den 1920er Jahren, sondern ein zeitloser philosophischer Wegweiser. Neben Tipps zur passenden Garderobe, zur Ausrüstung, finden sich Ausführungen, die man aus heutiger Sicht mit einem Schmunzeln liest, zum Beispiel über die Vorteile des Rauchens – Zigarette, Pfeife, Zigarre – oder ein Kapitel, das dem „Schnorren“ auf dem Weg gewidmet ist.
Graham empfiehlt dem Leser nicht nur Bücher mitzunehmen, sondern seine Erfahrungen auf den Wanderungen aufzuschreiben und die poetische Kraft, die in jedem von uns wohnt, zur Verwandlung zum Lebenskünstler zu nutzen. Das Niederschreiben eigener Gedanken (mentale Schnappschüsse) ist für ihn dabei wichtiger als Fotografien. Die Kunst ist, im langsamen Gehen, offen für die Welt zu sein: „Wer die Chiffren seiner Seele entschlüsseln möchte, braucht dazu den Schlüssel der Natur.“
„Der geborene Wanderer erwartet unbewusst immer, auf etwas Großartiges zu stoßen – hinter der Linie des Horizontes“ beschreibt der Schriftsteller die Freiheit des Wanderers. Die Erfahrung des zwanglosen Daseins, frei von Plänen und immer mit der Bereitschaft, längere Aufenthalte einzulegen, ist die Grunderfahrung dieser Lehre des Reisens. „Das Privileg des Bohemiens ist es, unter überhaupt keinem Zwang zu stehen, außer dem eines Herzens.“
Wir schätzen dieses Buch. Es ist eine Erinnerung an die Vielfalt der Reiseerfahrungen. Nicht alle davon beruhen auf großem Energieverbrauch. Das stilvolle Wandern, im Sinne Grahams, ist selbst eine Energiequelle.