In Praia de Mira entdecken wir es, am Strand und nicht einmal versteckt: das Paradies. Auf der Holzterrasse überblickt man an runden, blauen Tischen den ganzen Strand. Der Atlantik braust vor uns auf, die Wellen klatschen regelmäßig auf den Sand, der Himmel ist tiefblau und die Sonne steht hoch. Der freundliche Kellner serviert uns einen starken Kaffee und – nebenbei – die äußerst günstige Rechnung, die allen Gesetzen der Inflation trotzt. Wir sitzen eine Stunde lang und es gibt nach angestrengtem Nachdenken keinen Grund zur Klage. Es ist der perfekte Ort.
Der Mensch neigt dazu, angenehme Erfahrungen zu wiederholen. Am nächsten Morgen ruft uns die Örtlichkeit zurück, zum Morgenkaffee. Allerdings müssen wir enttäuscht feststellen, das Paradies hat Öffnungszeiten. Die Sonnenschirme sind eingeklappt, der Kellner schläft zu Hause. Wir sind nur kurz ernüchtert, es gilt ein, zwei Stunden zu warten und zum Nachmittagskaffee zurückzukehren.
Am frühen Nachmittag ist es so weit, das Wetter ist ein wenig eingetrübt, aber die Terrasse für Gäste offen. Wir nehmen Platz und ja, der Ort hat nichts an seiner Perfektion verloren. Der Kaffee schmeckt nach wie vor hervorragend und wir lehnen uns entspannt zurück. In der Ferne hört man nicht nur die Wellen, sondern ein leises Rattern, das langsam zu einem ächzenden Knarren wird. Eine Planierraupe ist ein Wunderwerk der Technik (man denke an die komplex ineinandergreifenden Ketten), nur, sie ist eben laut. Vor uns schiebt das Ungetüm einen kleinen Berg Sand vor sich her, kehrt am unteren Teil des Strandes um, fährt zurück, um eine neue Ladung abzuholen und zu verteilen. Der Beobachter muss kein Pessimist sein, um zu ahnen, dass diese Aufgabe gewaltig ist und ein Ende der Arbeiten nicht in Sicht.
Wir erinnern uns an eine kleine Randbemerkung in unserem Reiseführer, ein Hinweis, dass diese Küste von Erosion bedroht ist. Hier wird vermutlich versucht, durch das Verschieben des Sandes, dieses Phänomen zu beeinflussen. Die Aktion wirkt aus der eigenen Sicht heraus absurd, sie hat aber ihre Berechtigung und eine wissenschaftliche Notwendigkeit. Man erträgt den Lärm leichter, wenn er begründet ist.
Ohne Murren akzeptieren wir die Lage und sinnen kurz darüber, ob wir den Ort am Vortag nicht mit dem Charakteristikum „paradiesisch“ hätten umschreiben sollen. Worte haben ihr Gewicht und derartige Benennungen rufen nach ihrem Gegenteil, meist in Form einer Störung, die daran erinnert, dass es das Traumland diesseitig nicht gibt. Immer wieder sind wir zum Aufbruch und neuer Suche genötigt und die Endlichkeit unserer Erfahrungen, nach dem wir fündig werden, spricht dafür, dass der Aufenthalt darin nie auf Dauer gelingt. Bis wir, so Gott will, eben ins Paradies kommen.
Der französische Schriftsteller Marcel Proust hat es so formuliert: „Das Paradies ist immer ein verlorenes Paradies.“