Im Herbst steht unser Hausschuh in seinem Winterquartier. Statt selbst zu reisen, lesen wir „Ferner Westen“ von Paulo Moura, der uns wieder nach Portugal führt. Der Journalist wurde als Kriegsreporter für seine Reportagen vielfach ausgezeichnet.
Im Vorwurf zum Buch über seine Heimat schreibt er: „Für mich waren Reisen immer Abenteuer, aber nicht immer Freizeit. Sie interessant zu machen ist harte Arbeit. (…) Man muss Dinge anstoßen. Suchen, fragen, forschen, sich einmischen.“
Moura berichtet von einer Fahrt entlang der portugiesischen Küste mit seinem Motorrad. Dabei sind weniger die Kultur und Sehenswürdigkeiten im Fokus seiner Reportage, sondern die Schicksale von Unternehmern, Hafenarbeiter, Künstler und Fischern. Er besucht wenig bekannte Inseln und berichtet von dem einsamen Leben, das er dort vorfindet.
Bei der Lektüre des Buches wird uns wieder einmal klar, wie wichtig die Sprache ist, um Land und Leute zu entdecken. Hinweise des Autors auf bedeutende Literatur, auf Dichter wie Ramalho Ortigao (die Strände Portugals) oder Jaime Cortesao (Land und Leute) – im Kapitel über das Seebad Figueira da Foz – können wir leider nicht nachgehen. Sie sind nicht in deutscher Übersetzung erschienen sind.
Das Strandleben und das harte Leben der Fischer präsentiert der Journalist als Gegensätze:
„Nicht einmal der Literatur scheint es gelungen zu sein, sie zusammenzubringen und ein Gesamtbild des Verhältnisses des Menschen zu Meer zu zeichnen, obwohl dies entscheidend dafür ist, wie sich die portugiesische Identität definiert.“
Schriftsteller wie Raul Brandao (sein Buch über das Leben der Fischer haben wir auf diesem Blog vorgestellt) widmen sich überhaupt nur dem Schicksal der einfachen Leute und ignorieren Sommerfrischler und Badegäste.
Im fernen Westen lässt Moura den Leser an dem ökonomischen und existentiellen Überlebenskampf der Fischer teilnehmen. Er beschreibt die Bedingen auf stürmischer See und stellt fest: „Die ungeheuerliche Szenerie verschlingt die Männer, doch weil sie sie nicht wahrnehmen, sind sie ein Teil von ihr.“ In dieser Teilhabe liegt wohl der Unterschied zu der Erfahrung von den Touristen.
Der Journalist beschreibt das soziale Elend, das er an den Küsten findet und berichtet von Aufenthalten an speziellen Orten, an denen er sein Zelt aufschlägt, wie zum Beispiel einen Ort an der Costa da Caparica, der aus siebentausend Dauercampern besteht. „Unter den sieben tausend Menschen auf diesem Campingplatz bin ich der einzige wahre Camper“ stellt er überrascht fest.
In Tamera berichtet der Reisende von einer alternativen Community, die von Deutschen gegründet wurde. Die bunte Gruppe widmet sich nicht nur der Idee der freien Liebe, sondern hat eine Forschungsabteilung für die dezentrale Nutzung von Sonnenenergie aufgebaut. Moura berichtet mit sanfter Ironie von dem diesem und anderen Projekten der alternativen Lebensführung.
Die wachsende Zahl der Wohnmobile an der Küste übersieht der Autor ebenso wenig. Immer wieder staunt er über die Schönheit der Landschaft. „Schon Zambujeira und Odeceixe sind exotische, unerwartete Orte, und an den Stränden der Küste von Aljezur fühlt man sich ganz und gar in einen Traum versetzt, der einen schwindeln macht und das Gefühl für Raum und Zeit verlieren lässt.“
Hier stimmen die Leser gerne zu, auf unserer Reise im Sommer waren wir von diesem Küstenabschnitt fasziniert.
Paulo Moura, Ferner Westen, Mare Verlag 2022