Wir staunen, eine italienische Landschaft, an der Elbe, mitten in Sachsen-Anhalt. Auf einer kleinen Insel stehen wir vor der „Villa Hamilton“ und blicken auf die Nachbildung des feuerspeienden Vesuvs dahinter. Die künstliche Anlage, mit ihren unterirdischen Gängen, einer Grotte und einem Theater, erinnert an den Golf von Neapel. Der Landschaftspark ist seit seiner Entstehung im 18, Jahrhundert bis heute frei zugänglich, der Bildung und Erziehung durch das Erlebnis des Schönen gewidmet.
Der Bauherr, Fürst Leopold Franz von Anhalt-Dessau und sein Baumeister, Friedrich Freiherr von Erdmannsdorf, verarbeiteten in Wörlitz ihre Erfahrungen der „Grand Tour“, die sie nach England und Italien führte. Die Besteigung des Vesuvs im Jahr 1766 führte zu der gewagten Idee, den Vulkan zu Hause nachzubilden und mithilfe moderner Pyrotechnik das Spektakel eines Ausbruches vorzuführen.
Erdmannsdorff beschrieb 1766 die reale Erfahrung mit dem Naturphänomen: „Die inneren Seiten sind mit Schwefelfeldern durchzogen, die, als die Sonne drauf schien, in mannigfaltigen Farben glänzten. Ganz am Grund sieht man mehrere Öffnungen, die den undurchdringlichen Eingang dieser Hölle anzeigen“.
Man kann nur ahnen, wie die Aufführung des Spektakels auf die staunenden Untertanen wirkten. Das Schauspiel verfolgten sie vom Land aus oder auf Gondeln auf dem See. Die Idee fand später ihre Fortsetzung in unseren modernen Freizeitparks, die ebenso berühmte Ansichten touristischer Ziele kopieren und den Nervenkitzel inszenieren.
Das Spiel mit dem Imaginären rief schon am Ende des 18. Jahrhunderts gemischte Gefühle hervor. Nach der Fertigstellung des Bauwerks kommentierte beispielsweise der Dichter Novalis: „Die ganze Idee ist originell und unstreitig etwas bizarr.“ Der Fürst selbst zweifelte, trotz des titanischen Aufwandes, den er betrieb, im Ergebnis am Sinn der Aktion:
„Man sollte aber doch … sich nicht herausnehmen, die Natur in ihren großartigsten und erhabensten Erscheinungen, in ihren Felsen, Schluchten, Tälern und Vulkanen nachahmen zu wollen. Da zieht man allemal den Kürzeren, zumal eine einer Gegend, wo das alles nicht hingehört und wie vom Himmel gefallen aussieht. Das ist doch alles kleinlich und gedrückt und macht keineswegs den Eindruck, den man beabsichtigt.“
Wir besichtigen die Villa, die an die Begegnung der Reisenden, mit dem berühmtem Vulkanforscher Hamilton erinnert. Goethe berichtet in seiner italienischen Reise von der besonderen Atmosphäre im Anwesen des Engländers am Golf von Neapel. Der Dichter besuchte das Gartenreich siebenmal und bewunderte die Tatkraft des Fürstenhauses. In Wörlitz schrieb der Dichter 1778 in einem Brief an Charlotte von Stein: „Hier ist’s jetzt unendlich schön. Mich hat’s gestern Abend sehr gerührt..wie die Götter dem Fürsten erlaubt haben, einen Traum um sich herum zu schaffen.“
Auf unserem Spaziergang durch den Park folgen wir eine Maxime Goethes, die in dem Brief an seine platonische Freundin zu finden ist: „Man streicht herum, ohne zu fragen, wo man ausgegangen ist und hinkommt.“
Literatur:
Alexandra Lübbert-Barthel, Der Wunderfelsen von Wörlitz, mitteldeutscher Verlag, Hale 2013