Das olympische Museum in Lausanne liegt famos in einem Park am Genfer See.
Wir stehen am olympischen Feuer vor dem Denkmal des französischen Pädagogen, Historiker und Sportfunktionär Pierre de Coubertin (1863-1937). Coubertin war überzeugt, dass in der Erziehung neue Wege unerlässlich seien und die sportliche Ausbildung den ganzen Menschen in der Einheit von Körper, Geist und Seele erfassen soll. Sein Credo: „Das Wichtigste im Leben ist nicht der Sieg, sondern der Kampf, das Wesentliche ist nicht, gewonnen zu haben, sondern gut gekämpft zu haben.“
Unter dem Eindruck der Ausgrabungen in Olympia trat er für die Wiederbelebung des Ereignisses ein und gründete 1894 das Internationale Olympische Komitee. Nötig war zunächst ein Gestaltwandel. Die alten Griechen hatten kein Konzept von „Sport“, der Wettkampf diente ursprünglich der körperlichen Ertüchtigung der Soldaten und dem Lob der Götter. Die Sieger erhielten einen Olivenzweig als Symbol des Respektes und der Anerkennung.
Die moderne olympische Idee widersetzte sich nationalen Egoismen und wollte zum Frieden und zur internationalen Verständigung beitragen. Dass diese Mission nicht einfach war, zeigte sich an der Vergabe der Veranstaltung in den 30er Jahren. Von einem französischen Journalisten gefragt, warum er die Berliner Nazi-Spiele unterstütze, antwortete Coubertin, das Wichtigste sei, dass sie grandios gefeiert würden. Dabei sei es egal, ob man sie als Tourismuswerbung für Südkalifornien wie 1932 oder als Werbung für ein politisches System wie 1936 verwende.
Es war die Lebensreformbewegung der Jahrhundertwende, die den Sport zum modernen Massenphänomen machte. Die geistigen Hintergründe der Körperertüchtigung nehmen einen prominenten Platz in Peter Sloterdijks Buch „Du musst Dein Leben“ ändern ein. Der Philosoph zeichnet die Entwicklungsgeschichte der Spiele im Licht ihres antiken und religiösen Vorbildes nach. Er schreibt über die profane Realität des Sportes in der Moderne, zwischen Selbstoptimierung, Kommerz und Massenmobilisierung. Sein Fazit: „Die Olympische Idee hat nur als säkularer Kult ohne ernstgemeinten Überbau überleben können.“
Der athletische Imperativ, der das ganze 20. Jahrhundert durchhallt, ist für den Philosophen von großer alltäglicher Bedeutung: „Überall, wo dieser Imperativ vernommen wird, sind wir kulturell auf der richtigen Seite, weil wir dann im griechischen Raum bleiben, in dem der Sport als eine Angelegenheit der Schönheit betrieben wird.“ Nur, wer denkt im Fitnessstudio oder auf der Laufstrecke über den antiken Ursprung unserer Köper-Ideale nach?
Wir sind beeindruckt: Das Museum inszeniert die Geschichte des olympischen Phänomens mit großem technischen Aufwand beinahe perfekt. Auf Videoleinwänden werden an die unvergesslichen Momente der SportlerInnen und an die spektakulären Eröffnungsfeiern erinnert. Allein die kritische Aufarbeitung der Skandale rund um die Kommerzialisierung der Spiele fehlt uns.