In den Herbst- und Wintermonaten reduzieren sich naturgemäß die Reiseaktivitäten. Die Sehnsucht nach Fernzielen, die uns umtreibt, verlagert sich in das Innenleben. Wir sind zuhause. Und, vielleicht ist das gut so. Einerseits um sich auf den kommenden Aufbruch vorzubereiten, sei es durch die Lektüre von Reisebüchern oder der Planung neuer Abenteuer, andererseits, sich der Reflexion über den Sinn und Bedeutung vergangener Reisen zu widmen.
Nicht jede Unternehmung ist erfolgreich. „Es heißt ja die Menschen würden immer mehr reisen“ schreibt Juan Moreno und stellt fest: „Das glaube ich nicht. Die Menschen fahren mehr weg, steigen häufiger ins Flugzeug, aber zum Reisen haben sie keine Zeit mehr.“
Einige Philosophen haben, wie der Psychotherapeut Andrea Bocconi ausführt, die Grenzen des Reisens aufgezeigt und das ständige Weggehen als Wiederholungszwang entlarvt, ein Zwang, der mit Freiheit nichts zu tun hat. Sie erinnern daran, dass man im Innern, ohne äußere Ortsveränderung, an das gewünschte Ziel gelangen kann.
Lao-tse, sagt im Tao-te-kin:
Nicht aus dem Tore gehend,
Erkennt man die Welt,
Nicht aus dem Fenster spähend,
Erschaut man des Himmels Aufführung.
Je weiter einer schweift,
Um so geringer wird sein Erkennen.
In einem Gespräch mit Lucilius stellt Seneca fest:
„Du meinst, dir allein sei es so ergangen, und du wunderst dich darüber, als sei es etwas unerhört Neues, daß es dir durch deine langen Auslandsreisen und den ständigen Ortswechsel nicht gelang, Trübsinn und Schwermut zu vertreiben? Wechseln musst Du Deine Lebensanschauung, nicht Gegend und Klima (…)“
Das Bewusstsein über die innere Freiheit hält uns nicht von künftigen Reisen ab. Sie ergänzt nur unsere Möglichkeiten, erinnert daran, dass die Welt, wo immer wir sind, in Bewegung oder Stillstand, wunderbar im Ganzen ist. Eine Erkenntnis, die dazu führt, langsamer zu Reisen und sich für jeden Aufenthalt neu zu öffnen.
Lektüre:
Juan Moreno, Glück ist kein Ort, Rowohlt Berlin
Andrea Bocconi, Reisen und bleiben, Dörlemann Verlag